Bauernverband Rundmail: Gutachten des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung zum Thema "Nutztierhaltung" - Stellungnahme des Deutschen Bauernverbands
Liebe Mitglieder,
der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung im Bereich Landwirtschaft hat in seinem aktuellen Gutachten festgestellt, dass sich die Nutztierhaltung erheblich verändern müsse, weil sie so nicht zukunftsfähig sei. Bemerkenswert ist die Begründung der Professoren: Ausgangspunkt sind allein die von den Wissenschaftlern ausgemachten gesellschaftlichen Erwartungen an die Landwirtschaft. Objektive Kriterien, wie zB die tatsächlichen Bedürfnisse der Tiere spielen eine untergeordnete Rolle.
Der Deutsche Bauernverband hat bereits scharf gegen das Gutachten protestiert und den Wissenschaftlern methodische Fehler vorgeworfen.
Hier eine Zusammenfassung der Feststellungen des wissenschaftlichen Beirats:
Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik (WBA) beim Bundesagrarministerium hält die deutsche Nutztierhaltung „in wesentlichen Teilen für nicht zukunftsfähig“. In ihrem neuesten Gutachten empfehlen die 14 „Agrar- Weisen“, die Weichen radikal neu zu stellen.
Dabei hält der WBA die Zielkonflikte zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Tierschutz für überwindbar. Der Umbau werde aber „einen längeren Zeitraum“ erfordern und viel Geld kosten. Der Vorsitzende des Beirats, Prof. Dr. Harald Grethe, hat das Gutachten am 25.3.2015 Agrar-Staatssekretär Peter Bleser übergeben.
Die wichtigsten Eckpunkte und deren Auswirkungen
- Strengere Tierschutzstandards, die sich z.B.
an bestehenden Tierschutzlabeln oder am Öko-Landbau orientieren, würden
die derzeitigen Produktionskosten um über 13 bis 23 % erhöhen. Das sind
3 bis 5 Mrd. €/Jahr.
- Selbst bei voller Überwälzung der Kosten
auf die Verbraucher sollen tierische Nahrungsmittel im Laden nur 3 bis
6 % teurer werden. Das sei für viele Verbraucher tolerierbar.
- Ohne flankierende Begleitmaßnahmen prognostizieren
die Gutachter gewaltige Strukturveränderungen. Die Schweinehaltung soll
um 20 bis 37 % zurückgehen. Bei Rindfleisch, Geflügel und Eier soll die
Produktion um 8 bis 16 % einbrechen. Nur bei der Milch würde sich kaum
etwas ändern. Eine gemeinsame Einführung höherer Standards mit anderen
EU-Ländern würde die Produktionsrückgänge allerdings verringern, betont
der WBA.
- Ein neues Konsum-Leitbild „besser und weniger“ soll für mehr Wertschöpfung bei den Landwirten sorgen. Die Idee: Die Verbraucher essen weniger Fleisch, geben für das tierwohloptimierte Fleisch aber mehr Geld aus.
1. Um auf EU-Ebene Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, sollten die Mitgliedstaaten mit bedeutender Tierhaltung die strengeren Tierschutzstandards möglichst gemeinsam vorantreiben.
2. Der Bund soll ein nationales Tierwohl-Monitoring aufbauen und für besser qualifizierte Tierhalter sorgen.
3. Um mehr Geld für den Tierschutz zu haben, sollte Deutschland EU-Mittel von der 1. in die 2. Säule umschichten.
4. Die Bundesländer sollen die sog. nicht-kurativen Eingriffe (z. B. Schwänzekürzen) ausnahmslos schnell verbieten, den Tierschutz stärker kontrollieren und gleichzeitig Förderanreize für mehr Tierwohl schaffen.
5. Die Wirtschaft soll ihre Brancheninitiative Tierwohl ausweiten. Der Handel könnte zusätzlich für mehr Marktdifferenzierung sorgen, indem er sein Sortiment stärker auf Tierwohl ausrichtet bzw. Produkte mit niedrigeren Standards auslistet.
Und hier die Stellungnahme des Deutschen Bauernverbands:
Ein Export der Nutztierhaltung heraus aus Deutschland ist keine Lösung für Landwirtschaft und Tierschutz - Die Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats sind leichtfertig und praxisfern
Der Deutsche Bauernverband (DBV) sieht das heute vom Wissenschaftlichen Beirat an Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt übergebene Gutachten zur Nutztierhaltung in weiten Teilen außerordentlich kritisch. „Die Analyse der derzeitigen Situation, deren methodische Grundlagen und Bewertungen haben erhebliche Schwächen. Die Empfehlungen der Wissenschaftler sind in Anbetracht der Konsequenzen für die Nutztierhaltung, die Bauernfamilien und für den ländlichen Raum unverantwortlich leichtfertig“, kritisierte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken das Gutachten in einer ersten Bewertung. Wissenschaftliche Bewertungen müssten auf umfassenden und abgesicherten Bestandsaufnahmen beruhen und nicht auf lautstarken Zurufen oder einer allgemeinen Beschreibung von Befindlichkeiten. Fragwürdig sei, wenn auf solcher Grundlage Empfehlungen von existenzieller Tragweite für die Landwirtschaft und für den Tierschutz gegeben werden.
Einen sehr wichtigen Zusammenhang zeige das Gutachten zwar richtig auf: Höhere Standards führen in offenen Märkten zuerst zu Produktionsverlagerungen ins Ausland. „Aus dieser Einsicht werden aber nicht die notwendigen Schlussfolgerungen gezogen“, erklärte Krüsken. „Die im Gutachten postulierte Zahlungsbereitschaft der Verbraucher für noch höhere Tierschutzstandards gründet auf zu optimistischen Annahmen“, urteilte der DBV-Generalsekretär. Der wissenschaftliche Beirat gehe von einer „beachtlichen Zielgruppe für Produkte aus tierfreundlicherer Haltung“ aus. „Gemessen an den Marktanteilen von Labels für eine solche Tierhaltung wird diese Annahme von der Realität im Lebensmittelhandel nicht bestätigt“, stellte Krüsken fest. Auch müsse die tatsächliche Nachfrage der Verbraucher als ein Kriterium für die gesellschaftliche Akzeptanz gesehen werden.
Zudem würden die Kosten des empfohlenen Umbaus der Tierhaltung zu optimistisch gesehen. Die Gutachter beziffern sie auf lediglich 3 bis 5 Milliarden Euro oder 3 bis 6 Prozent der Verbraucherausgaben. „Diese Rechnung unterschlägt unter anderem die volkswirtschaftlichen Kosten durch die Entwertung von Investitionen und die Abwanderung der Wertschöpfung aus der Tierhaltung“, schlussfolgerte Krüsken.
Die von der Landwirtschaft in den zurückliegenden Jahren auf den Weg gebrachten Weiterentwicklungen der Tierhaltung werden vom Gutachten im Grundsatz bestätigt, so zum Beispiel bei der Initiative Tierwohl, dem Tiergesundheitsmonitoring und der Weiterentwicklung des QS-Systems. „Ein radikaler Umbau mit der Brechstange führt die Landwirtschaft ins Abseits und bringt den Tierschutz nicht weiter. Wir setzen statt dessen auf weitere Optimierung der Tierhaltung, der sich an gesellschaftlichen Anforderungen, aber auch an der Umsetzbarkeit im Markt, beim Verbraucher und nicht zuletzt an der praktischen Sinnhaftigkeit für den Tierschutz in den Betrieben orientiert“, erklärte Krüsken.
Viele Grüße
Ihr
Helmut Bleher
Geschäftsführer
Bauernverband Schwäbisch Hall - Hohenlohe - Rems eV
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