Jürgen Maurer: „Ernährungssicherheit ist als wichtiger Wert erkannt worden“
Landwirte atmen auf: EU-Parlament stoppt Pflanzenschutzverbot
Foto: Helmut Bleher (li.) und Jürgen Maurer sprechen auf der Delegiertenversammlung in Ilshofen zur SUR-Aussetzung der EU.
Das EU-Parlament hat am 22. November überraschend die Pflanzenschutzmittelreduktions-verordnung nicht nur gestoppt, sondern ganz ausgesetzt. Wäre sie wie bisher befürchtet umgesetzt worden, wäre in weiten Teilen Baden Württembergs sowie im Verbandsgebiet des Bauernverbands Schwäbisch Hall - Hohenlohe - Rems e.V. chemischer Pflanzenschutz nicht mehr möglich.
Anlässlich der Delegiertentagung des Bauernverbands am Abend des 22. Novembers in Ilshofen stellten Verbandsvorsitzender Jürgen Maurer und Geschäftsführer Helmut Bleher auch die Entwicklungen um die sogenannte SUR-Verordnung vor. Die Abkürzung „SUR“ steht für „Sustainable Use Regulation“. Die geplante Verordnung hätte als direkt wirkendes europäisches Gesetz zur Folge gehabt, dass auf nahezu 40 % der Flächen in Deutschland kein chemischer Pflanzenschutz mehr möglich gewesen und die Anzahl und Menge der Pflanzenschutzmittel um 50 % verringert worden wäre. Darüber hinaus war geplant, den Landwirten noch umfassendere Pflichten – etwa zur elektronischen Dokumentation und zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln – aufzuerlegen. Diese hätten zudem vor jedem Pflanzenschutzeinsatz nachweisen müssen, unabhängige Beratung in Anspruch genommen und jegliche nicht chemische Alternative geprüft und umgesetzt zu haben.
Foto: Die Aussprache zu verschiedensten Themen ist fester Bestandteil der Delegiertenversammlungen.
Landwirt Maurer: „Ohne Pflanzenschutz geht es nicht – auch nicht im Ökolandbau.“
Die Berichterstatterin Sarah Wiener (MdEP) hatte in den letzten Monaten zahllose Einwendungen und Änderungsanträge eingearbeitet, letztlich aber die Richtlinie unverändert und nach einem Beschluss des Europäischen Umweltausschusses sogar noch verschärft ins Parlament gebracht. Dies stieß bei Landwirtschaftsbetrieben und zahlreichen Mitgliedstaaten auf großen Widerstand. Dazu sagt unser Vorsitzender Jürgen Maurer: „Die SUR-Verordnung wäre für zahlreiche Betriebe, insbesondere im Bereich der Sonderkulturen und im Weinbau, einem Berufsverbot gleichgekommen. Ohne Pflanzenschutz geht es nicht – auch nicht im Ökolandbau!“
Trotzdem unterstützte die Bundesregierung die Verabschiedung der SUR-Verordnung, obwohl selbst der Grüne Ministerpräsident Kretschmann einen Brandbrief nach Brüssel schickte, in welchem er anmahnte, den Baden-Württembergischen Weg (nämlich den Konsens zwischen Politik, Natur- und Umweltschutz und der Landwirtschaft) umzusetzen. In seinem Biodiversitätsstärkungsgesetz hat Baden-Württemberg von weitreichenden Verboten Abstand genommen und setzt auf Aufklärung, Beratung und Förderung.
Foto: Was es mit der SUR-Entscheidung auf sich hat, und welche Folgen abgewendet wurden, erklären Jürgen Maurer und Helmut Bleher (li.).
Gehen Hand in Hand: Klimaschutz, Ernährungssicherung und Umweltschutz
Das EU-Parlament hat mit einer deutlichen Mehrheit nun die SUR-Richtlinie nicht wieder in den Umweltausschuss zurückverwiesen, sondern endgültig gestoppt. Eine Neuauflage würde einen komplett neuen Entwurf der EU-Kommission erfordern. Bauernverbandsgeschäftsführer Helmut Bleher sagt dazu in der gestrigen Delegiertenversammlung: „Ich möchte noch nicht von einem Umdenken in der Politik sprechen, zumindest ein Denkprozess hat aber begonnen. Denn, dass neben den wichtigen Themen Klima- und Umweltschutz auch die Ernährungssicherheit als wichtiger Wert erkannt worden ist, lässt einen Hoffnungsschimmer aufkommen.“
Schwierige Marktlage für Biogetreide
Deutlich wurde die Problematik auch im Hauptreferat des Geschäftsführenden Vorstands der BAGeno Raiffeisen eG, Florian Reinhardt. Als europaweit bedeutender Vermarkter von Biogetreide verwies er auf die aktuellen Probleme, Biogetreide mangels Nachfrage zu vermarkten. Momentan sei es nicht die Frage, den höchsten Preis zu erzielen, sondern überhaupt verkaufen zu können. Die Läger mit Getreide in Bioqualität seien über Jahre hinweg mit alternativer Ware gefüllt worden. Bei allen berechtigten Wünschen nach ökologischen Erzeugungsmethoden dürfe der Markt nicht aus den Augen verloren werden. Auf Dauer werde kein Landwirt Produkte erzeugen, die er nicht zu einem angemessenen Preis verkaufen könne.
Foto: Gastredner Florian Reinhard ist geschäftsführender Vorstand er BAGeno Raiffeisen eG. Was es derzeit in der regionalen Getreidevermarktung Neues gibt, berichtet er authentisch und auf Augenhöhe der Delegierten Landwirtinnen und Landwirte unseres Bauernverbandes.
Trotz SUR-Stopp: Landwirtschaft will weiter Klima- und Umweltschutz in der Fläche umsetzen
In der Diskussion wurde deutlich, dass die Landwirte erhebliche Zweifel an der Regierungsarbeit haben, die im Grunde aus einer sprichwörtlichen Übersättigung der Gesellschaft resultiere. Jürgen Maurer sagt dazu: „Wir fordern eine fachlich fundierte Auseinandersetzung mit Gesellschaft und Gesetzgeber und lehnen eine von Ideologien geprägte Ordnungspolitik strikt ab.“ Gleichzeitig bot er erneut an, die Ziele des Klima- und Umweltschutzes gemeinsam mit den gesellschaftlichen Kräften weiter zu verfolgen. „Wir Landwirte sind Zukunftsbauer, wir bieten Lösungen für die Menschen in unserem Land an. Dazu gehört eben aber auch als wichtiges Ziel, die Ernährung sicher zu stellen.“
Foto: Lob und konstruktive Kritik fanden gleichermaßen Platz in Ilshofen - ein Zeichen für vertrauensvolles Miteinander im Berufsstand.
Foto: Zeit zum Diskutieren, Austauschen und Lösungen finden für aktuelle landwirtschaftliche Herausforderungen in der Praxis.
Foto: Gespräche unter Berufskollegen zum Ausklang der Delegiertenversammlung in Ilshofen.
Alle Fotos: (c) David Benzin / Bauernverband SHA - Hohenlohe - Rems e.V.