Der Verbraucher ist ein seltsames Wesen

Die Themen des ‚Fachgesprächs mit Minister vor Ort‘ waren die Tierhaltung und das Tierwohl unter den wachsenden gesellschaftlichen Anforderungen. Eng damit verbunden sind das ‚Borchert-Papier‘ und die Arbeit der ‚Zukunftskommission Landwirtschaft‘. Am neuen Hähnchenstall der jungen Eheleute Reiß in Rot am See machen sich Verantwortliche ein konkretes Bild davon, was es für Familien heißt, sich weiter für die Landwirtschaft zu entscheiden. Neben Minister Peter Hauk, den Vertretern des Bauernverbandes, des Landkreises, der Gemeinde waren Verantwortliche der Firma Wiesenhof und der Erzeugergemeinschaft Südwest zusammen auf dem Hof der Landwirtsfamilie aus Rot am See - Brettenfeld.    

Tierwohlwünsche stehen Bauvorschriften entgegen. „Man muss es schon wollen und sich gegen viele Widerstände durchsetzen. Wir haben lange dafür gekämpft und einfach nicht aufgegeben“, freut sich das junge Landwirtspaar, Rebecca und Fabian Reiß. Es war nach ihren Aussagen nicht einfach, einen Stallneubau für knapp 30.000 Hähnchen und damit für die eigenen Zukunft am Rand der Gemeinde zu bauen. Auf der einen Seite steht zwar der allseitige Wunsch nach mehr Tierwohl, das heißt in der Regel neue und größere Ställe, auf der anderen Seite stehen restriktive Bauvorschriften dem entgegen. Viele geben daher auf. Aber nun ist der Stall mit ‚Wintergarten‘ für die Tiere der Familie Reiß fertig und sie stellen ihn den Hofgästen stolz vor. Er beherbergt regional produzierte Tiere nach hohem Tierwohlstandard. Um diese beiden Punkte geht es hauptsächlich in dem Gespräch mit Peter Hauk, Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, im Rahmen seiner Sommertour 2021. Dafür sind neben Vertretern des Bauernverbandes, Vorsitzender Jürgen Maurer, Geschäftsführer Helmut Bleher und Thomas Wenzel als Geschäftsführender Vorstand für den Hohenlohekreis, auch Vertreter der Gemeinde und des Landkreises gekommen. Zusammen mit Felix Wesjohann, als Geschäftsführer von ‚Wiesenhof‘, und Josef Wohlfrom, als Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft Südwest, machen sie sich ein Bild vor Ort und diskutieren über Lösungsansätze für die Versorgung mit hochwertigen und regional produzierten Lebensmitteln.

 

 

Die deutsche Produktion darf nicht verlagert werden. Dafür setzt Minister Peter Hauk sich ein. Denn die Gefahr, dass im Ausland produzierte Lebensmittel die Lücken in den deutschen Regalen füllen werden, weil hier nicht mehr ausreichend produziert wird, ist allgegenwärtig. Felix Wesjohann von Wiesenhof und Josef Wohlfrom von der Erzeugergemeinschaft Südwest gehen sogar so weit zu sagen, dass, wenn die Vorschriften sich weiter verschärfen, sieben von zehn der hiesigen landwirtschaftlichen Betriebe aufhören werden, weil sie diese Anforderungen nicht mehr erfüllen können. Denn für die nötigen Investitionen fehlt in Deutschland über weite Strecken die Planungssicherheit. Das ist laut Geschäftsführer Helmut Bleher „um so bedauerlicher, da wir in der Tierproduktion jahrelang ausgesprochen markttauglich waren. Inzwischen geht es aber nur noch darum, wie wir es schaffen diese Bedingungen überhaupt zu erfüllen.“ Jürgen Mauer kündigt einen ‚runden Tisch‘ an, an dem die Verantwortlichen zusammenkommen, um nach Lösungen zu suchen. „Denn man muss schon miteinander reden, wenn man viel erreichen will“, weiß der immer für konstruktive Diskussionen stehende Vorsitzende des Bauernverbandes. Es nützt in den Augen der Fachleute auch nicht viel, dass der Lebensmitteleinzelhandel LEH hier vorgeprescht ist. Dieser hat angekündigt, schrittweise nur noch Produkte mit den Tierwohlstufen 4 und 3 anzubieten. Das wird von allen, am Fachgespräch mit Minister Hauk in Rot am See Beteiligten, prinzipiell sehr begrüßt. Gleichwohl: Es fehlen die gesetzlichen Grundlagen dafür. Das sogenannte ‚Borchert-Papier‘ und die Arbeit der ‚Zukunftskommission Landwirtschaft‘ lösen diesen Zwiespalt nicht auf. Die landwirtschaftlichen Vertreter geben dem Minister diese Kritik explizit mit auf den Weg nach Stuttgart und Berlin.

 

 

Minister Peter Hauk fasst die Situation der Landwirte mit Worten zusammen: „Der Verbraucher ist manchmal schwer zu verstehen. Er ruft laut nach mehr Tierwohl und zehn Sekunden später legt er Billigprodukte in seinen Einkaufskorb. Das kann für die Landwirtschaft und für die Gesellschaft so nicht funktionieren“. Daran sollte weitergearbeitet werden.      

 

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