Wanderschäferei: Traditionelle Pflege der Kulturlandschaft und der Flächen der Landwirte

„Man muss es im Blut haben und schon gern machen, denn es gibt keinen Urlaub oder Feierabend“, erklärt Wanderschäfer Daniel Voigt aus Michelbach an der Bilz seinen Beruf. Die Haltung von Schafen ist eine sehr alte Zunft. Früher konnten die Schäferfamilien von 300 bis 400 Mutterschafen leben, denn sie bekamen rund 200 Mark für ein ausgewachsenes Schaf. „Heute sind es 100 Euro, aber alles andere – wie Diesel, Futter und die Technik - sind deutlich teurer geworden“, so Schäfer Voigt. Er hat seinen Beruf in einer dreijährigen Lehre zum Tierwirt, Fachrichtung Schafhaltung, auf der Schäferschule erlernt. 

Die Schäferei ist das ‚Ersatzrad‘ der Landwirtschaft, sagt Daniel Voigt. „Es ist ein alter Beruf und mehr Berufung als Beruf, aber unsere Schäferei pflegt die Landschaft“, sagt er weiter. Hier um Schwäbisch Hall und in Hohenlohe sind das viele kleine und auch hügelige Flächen, was den Aufwand der Landschaftspflege mit Maschinen schwierig macht. Liegen diese Flächen brach, können sie beweidet werden. Die Schäfer, wie eben auch die Familie Voigt, haben dazu Verträge mit der Unteren Naturschutzbehörde und gehen mit den Tieren zwei bis dreimal im Jahr über die Flächen. Von den Landschaftspflegegeldern lebt die Familie, denn allein vom Fleisch oder der Wolle der Tiere würde das nicht gehen. Traditionell ist die Schäferei in Baden-Württemberg auf der Schwäbischen Alb und in der dortigen Wacholderheide beheimatet. Deutschlandweit auch in der Rhön, in Brandenburg und in der Lüneburger Heide. Daniel Voigt hat festgestellt, dass unsere Landschaft als Naherholungsgebiet heute viel stärker genutzt wird. Im ist deshalb sehr wichtig, dass alle, die auf eine Schafherde treffen, diese mit Respekt behandeln. Auf keinen Fall sollte man durch die ‚ach so kuschelige‘ Herde oder auf die Weide laufen, schon gar nicht, wenn ein Hund dabei ist.  

 

 

 

Schäfer in sechster Generation. Den Hof hat Daniel Voigt von seinem Vater übernommen, dieser hatte ihn von seinem Vorgänger gepachtet. Der junge Mann betreibt ihn heute zusammen mit seinem Vater und seiner Frau. „Die Gemeinde hatte schon immer Schäfer. Mit dem Landschaftspflegehof in Michelbach an der Bilz hat man, als einem der ersten Höfe, vor 25 Jahren ein Pilotprojekt mit Landesmitteln geschaffen“. Den Stall hat die Gemeinde gebaut. „Hier im Stall ist alles mobil, eher eine große Halle ohne viel Technik, denn das meiste spielt sich bei uns draußen ab“. Daniel Voigt ist, wie sein Vater schon, aktiv im Schafzuchtverband tätig, dieser war Mitglied des Beirates.     

 

 

 

Wanderschäfer ziehen das ganze Jahr umher. Wie geht das eigentlich? „Man schaut nach dem Wetter und wenn es ganz arg ist, füttern wir zu. Aber bis zu 10 Zentimeter Schnee machen nichts aus“, erklärt Hofinhaber Voigt. Die Herde besteht überwiegend aus Mutterschafen, also weiblichen Tieren. 20 Böcke sorgen für die Nachzucht und sind nur temporär dabei. Wie oft in der Landwirtschaft, wird die weibliche Nachzucht für den Bestand der Herde behalten, die männliche Nachzucht geht zur Schlachtung, zum Beispiel nach Schwäbisch Hall. Das Fleisch, ausschließlich alle Teile der Tiere, wird auch in Direktvermarktung ab Hof Voigt angeboten. Das funktioniert in ‚Mund-zu-Mund-Propaganda‘, wie der Tierwirt sagt. Es gibt bei ihm nur halbe oder ganze Lämmer, keine Teilstücke zu kaufen. Hauptkunden sind alle, die gern Lammfleisch essen, natürlich auch Gaststätten, die nicht nur die ‚Edelteile‘ wollen, sondern alles vom Tier verarbeiten können. Vom 1. April bis zum 11. November ist er mit allen 900 Tieren draußen unterwegs – auf seinen festen Pachtflächen von Michelbach, Schwäbisch Hall, über Fichtenberg bis nach Oberrot und Michelfeld. Im Winter bleiben nur die trächtigen Tiere im Stall. Der Rest, rund die Hälfte, ist auf der Winterweide. Wenn sie von Weide zu Weide ziehen und gelegentlich auch die Straße kreuzen, richtet sich das Tempo nach dem verfügbaren Futter. Die Tiere sollen in erster Linie fressen, nicht laufen. Trotzdem schaffen sie samt Schäfer und Hütehund gut 10 Kilometer auf einem zwei Stunden-Marsch. „Aber sie laufen gern“, weiß Daniel Voigt. Bei dieser Arbeit wird er von einem der sieben Hütehunde unterstützt, und das geht ‚zackig‘ mit Pfiff. Am liebsten fährt er die Strecken zuvor mit dem Auto ab, um dann die kürzesten und besten Strecken zwischen den Stationen, also Etappen, zu finden.     

 

 

Aktuell sind wir Wolf-Präventionsgebiet. „Das heißt, wir schützen die Tiere mit Zäunen und Hunden vor dem Wolf, bekommen dies aber nicht gesondert gezahlt. Jedoch würde die Versicherung zahlen, wenn etwas passiert“, erklärt Hofinhaber Voigt. Für ihn bestätigt sich aktuell, was Schäfer schon lange sagen: Es gibt durchziehende Wölfe. Seiner Meinung nach wird der Druck dahingehend auch stärker werden, da mehr Jungwölfe die Rudel verlassen, abwandern und sich auf die Suche nach Partnerinnen machen. Deshalb gibt es seit 2015 das Projekt ‚Herdenschutzhund‘. Der Landschaftspflegehof Voigt hat vier davon und zieht eigene Welpen auf. Diese erhalten eine besondere Ausbildung, werden unter Kollegen verkauft und kommen schlussendlich nachts auf eingezäunten Weiden zum Einsatz, dem sogenannten Nachtpferch. Das ist ein Hund pro Herde. „Diese Hunde sind rein auf den Schutz der Schafe gezüchtet und beschützen die Herde, gegen alles – auch den Wolf. Sie verbellen und vertreiben ihn und alles andere auch“, berichtet Daniel Voigt. „Mindestens einmal pro Woche gibt es wohl eine solche Situation, diese Unruhe sieht man der Herde und dem Hund am nächsten Morgen an. Ich kann aber keinen Hund gebrauchen, der zu agressiv ist“. Außerhalb ihres Territoriums, ihres ‚Arbeitsplatzes‘, sind die Herdenschutzhunde übrigens ‚andere‘ Hunde, wie der Schäfer berichtet. Für Wanderer, Jogger und Radfahrer gilt, außen um den Zaun und die Herde herumzulaufen. Denn das ist ein anderes und nicht ihr ‚Revier‘. Übrigens: Schäfer Voigt freut sich, genau wie seine Kollegen, immer, wenn er angesprochen wird. Dann stützt er sich auf seine Schäferschippe und schaut freundlich unter seinem Hut hervor.

 

 

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